Sunday, June 23, 2019

(m/w/d) in Stellenanzeigen: Was bedeutet das?

Wer aktuell nach einem Job Ausschau hält, trifft immer häufiger auf Kürzel wie (m/w/d) in Stellenanzeigen. Abkürzungen in Anzeigen sind nichts Neues, kann doch jedes weitere Wort den Preis in die Höhe treiben. Viele aus dem Printzeitalter stammende Kürzel haben sich etabliert. Den meisten Jobsuchenden ist somit klar, dass Angaben wie (m/w) hinter einem Jobtitel stellvertretend für das Geschlecht stehen und zeigen, dass eine Stelle sowohl mit einem Mann als auch einer Frau zu besetzen ist. Neu ist allerdings die dritte Position. Wir klären auf…

(m/w/d) in Stellenanzeigen: Variable Ausdrucksmöglichkeiten

Das Interessante ist: Eine beliebige Suche in Jobportalen wie Karrieresprung zeigt weitere ungewöhnliche Abkürzungen. Aber was bedeuten sie? (m/w/d) in Stellenanzeigen steht für männlich/weiblich/divers, letzteres mitunter in der englischen Variante diverse.
Die Angabe divers oder diverse ist eine Lösung im Sinne des Antidiskriminierungsgesetzes (AGG), um ausdrücklich Menschen vor Diskriminierung zu schützen, die sich weder männlich, noch weiblich fühlen.
Hintergrund ist ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Oktober 2017 (Az 1 BvR 2019/16), dass künftig neben den Geschlechtsbezeichnungen männlich und weiblich eine dritte Variante möglich sein muss.
Das richtet sich an all jene, die sich innerhalb des sogenannten binären Geschlechtssystems keinem Geschlecht zuordnen lassen können oder wollen. Für das Geburtenregister gilt damit, dass bis Ende 2018 der Beschluss umgesetzt werden muss.

Geschlechterdiskussion: Wieviele Geschlechter gibt es?

Für viele Menschen ist die Diskussion um alles, was in irgendeiner Form „Gender“ oder „Diversity“ im Namen trägt, völlig unverständlich. Gerne wird entrüstet von „Genderwahnsinn“ geredet. Bisher gab es doch auch nur zwei Geschlechter, was soll denn jetzt anders sein?! Das stimmt so fundamental allerdings nicht.
Tatsache ist, dass Bezeichnungen wie divers oder diverse neu und für viele ungewohnt sein mögen. Ebenso die Tatsache, dass manche Menschen sich weder als Mann, noch als Frau fühlen. Das Phänomen hingegen ist nicht neu. Früher gab es wenig schmeichelhafte Bezeichnungen wie Zwitter oder Hermaphrodit.
Die eine weist auf das dritte Geschlecht im Tierreich hin, so etwa bei Schnecken. Die andere Bezeichnung stammt aus der griechischen Mythologie. Sie bezieht sich ursprünglich auf den Sohn von Aphrodite und Hermes, der durch die feste Umarmung einer verliebten Nymphe fortan zweierlei Geschlecht in sich trug.
Heutzutage ist von Intersexualität die Rede. Schätzungen zufolge betrachten sich 80.000 bis 120.000 Menschen in Deutschland als intersexuell. Mit diesem Begriff bezeichnet die Medizin laut Wikipedia…
Menschen, die genetisch (aufgrund der Geschlechtschromosomen) oder auch anatomisch (aufgrund der Geschlechtsorgane) und hormonell (aufgrund des Mengenverhältnisses der Geschlechtshormone) nicht eindeutig dem weiblichen oder dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden können.
Diese Definition ist von Transsexualität abzugrenzen. Aus Sicht der Biologie lassen sich transsexuelle Menschen eindeutig einem Geschlecht zuordnen, allerdings fühlen sich die Betroffenen anders als rein biologisch zu vermuten wäre.

Was bedeutet das für Bewerber?

Unternehmen sind natürlich bemüht, alles zu unterlassen, das nur im entferntesten nach Diskriminierung aussehen könnte. Eine Untersuchung von 570.000 Stellenanzeigen zeigte, dass immerhin sieben Prozent davon bereits solche oder ähnliche Abkürzungen tragen.
Die Folge: Sehr variable Abkürzungen und Formulierungen, die unter sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkten für Irritationen sorgen. Ein unerfreuliches Nebenprodukt dieses Wirrwarrs:
Kürzel wie (m/w/d) in Stellenanzeigen machen die Stellenanzeige weniger eindeutig. Denn es bleibt nicht bei (m/w/d), sondern ebenso tauchen auch Stellenausschreibungen mit (m/w/i) oder mit (m/w/i/t) auf. Dem Ideenreichtum sind kaum Grenzen gesetzt, oberste Priorität hat, alle Eventualitäten einzuschließen, um mögliche Klagen im Vorhinein zu vermeiden.
Wir erläutern kurz:
  • (m/w/d) steht für männlich/weiblich/divers
  • (m/w/i) steht für männlich/weiblich/intersexuell
  • (m/w/i/t) steht für männlich/weiblich/intersexuell/transsexuell
  • (m/w/a) steht für männlich/weiblich/anders
  • (m/w/x) steht für männlich/weiblich/egal welches Geschlecht beziehungsweise nicht definiert
  • (m/w/gn) steht für männlich/weiblich/geschlechtsneutral
  • (m/w/*) steht für männlich/weiblich/Asterisk kann ein beliebiges Geschlecht oder eine Fußnote symbolisieren
Aber auch diese Liste ist nicht vollständig. Denn parallel zu den bisher üblichen Abkürzungen (m/w) kursieren außerdem noch (m/f) mit f für englisch female, weiblich. So können Leser zukünftig statt (m/w/d) in Stellenanzeigen demnächst vermutlich auch mit Abkürzungen wie (m/f/d) oder einer Kombination aus den obigen rechnen.
Denkbar wären dann also auch (m/w/i/t – international: m/f/i/t) für männlich/weiblich/intersexuell/transsexuell. Und weil sich einige Menschen daran stören könnten, dass das Adjektiv männlich zuerst genannt wird, ist ebenso eine völlig andere Reihenfolge möglich. Die am wenigsten diskriminierende wäre dann vermutlich die alphabetische Reihenfolge.

Was bedeutet das für Unternehmen?

Eine Abkürzung wie (m/w/d) in Stellenanzeigen ist die eine Sache. Hierbei handelt es sich im Endeffekt um Konventionen, das heißt: Haben sich bestimmte Abkürzungen erst einmal eingebürgert, sich die Leser daran gewöhnt, dass die althergebrachte Geschlechtsangabe um ein, zwei Stellen erweitert wurde, wird irgendwann auch die Reihenfolge egal sein.
Der Leser weiß, dass es an dieser Stelle nicht um mysteriöse Qualifikationen geht, die er noch schnell erwerben muss, sondern lediglich eine Angabe, die signalisieren soll, dass dem Unternehmen das Geschlecht ziemlich egal ist, solange der Bewerber auf die ausgeschriebene Stelle passt.
Anders sieht es allerdings mit anderen Bereichen aus. (m/w/d) in Stellenanzeigen ist der Anfang von etwas, das sich im weiteren Bewerbungsprozess und auch in der Unternehmenskultur auswirken wird:
  • Bewerbungsprozess

    Konsequenterweise müssten die Abkürzungen und die Überlegungen, die hinter dem (m/w/d) in Stellenanzeigen stehen, auch in den ganzen Bewerbungsprozess mit eingegliedert werden. Das heißt dann im Falle von Online-Bewerbungen, dass es entsprechende Auswahlmöglichkeiten für den Bewerber geben muss, ein anderes Geschlecht als das übliche männlich/weiblich anzukreuzen.
  • Anrede

    Das führt direkt zum nächsten Punkt, nämlich der Anrede. Wie sollen Bewerber künftig angesprochen werden? Wie sollen Mitarbeiter und Kunden generell angesprochen werden? Auch hier ist eine Anrede mit „Sehr geehrter Herr/sehr geehrte Frau…“ üblich, aber wer kann schon mit Sicherheit wissen, wie das Gegenüber angesprochen werden möchte, ohne sich zuvor vergewissert zu haben?

    Eine Alternative sind neutrale Formulierungen, die alle Geschlechter einschließen und bereits im universitären Umfeld häufiger anzutreffen sind, beispielsweise Studierende statt Studenten. Analog dazu könnte eine Anrede „Liebe Mitarbeitende…“ oder „Liebe Belegschaft…“ lauten.

    Wird eine Person angesprochen, können Sie „Guten Tag, Max Mustermann“ sagen. Klingt sehr steif und ungewohnt, wäre aber geschlechtsneutral. Im Zweifelsfalle können Sie die betreffende Person zudem direkt fragen, wie sie angeredet werden möchte.

    Ebenfalls denkbar ist im Schriftverkehr der Einsatz des Asterisk: „Sehr geehrte*r Frau*Herr“. Wem das alles zu umständlich ist, kann – wie auf dieser Webseite ebenfalls usus – sich für eine Form entscheiden und darauf hinweisen, dass aus Gründen der Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet wird.
  • Berufsbezeichnungen

    Einige Berufsbezeichnungen tragen bereits -mann im Namen, so der Kaufmann. Seit längerem existiert passend dazu die Kauffrau – nur wie sollte eine Bezeichnung für das dritte Geschlecht aussehen? Kaufinter?

    Eine Bezeichnung für die Gesamtheit aller Kaufmänner und Kauffrauen, nämlich Kaufleute, existiert bereits. Im Singular bleibt allerdings die Herausforderung. Die Schwierigkeiten setzen sich fort, etwa beim Adjektiv „kaufmännisch“, beispielsweise für eine Stelle, in der eine kaufmännische Tätigkeit angeboten wird.

    „Kauffraulich“ oder „kaufinterlich“ als Ergänzungen zum bisherigen „kaufmännisch“ klingen sehr befremdlich. Richtig ausufernd wird es, wenn versucht wird, das Ganze zu umgehen, etwa: „Angestellt-x (m/w/i/t/d/a/gn/*) mit Berufsabschluss im betriebswirtschaftlichen Bereich gesucht“.
  • Dresscode

    Vor allem bei Jobs, in denen es zu repräsentieren gilt, sind die Geschlechterrollen häufig zu spüren: Frauen werden zwar Hosenanzüge zugestanden, aber beim Schuhwerk werden doch eher Pumps statt Schnürschuhen erwartet. Im angloamerikanischen Raum sind selbst Hosenanzüge bei Frauen oft nicht erwünscht.

    Besonders in Großbritannien herrscht ein sehr konservativer Dresscode, der Frauen hochhackige Pumps und Make-up aufzwängt. Zu überlegen wäre, ob eine geschlechtsneutralere Kleidung für alle die möglich ist, die sich nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen.
  • Toiletten

    Richtig ins Geld gehen kann eine weitere Bestimmung. Die Arbeitsstättenverordnung schreibt ab einer Mitarbeiterzahl von mehr als neun nach Geschlecht getrennte Toiletten vor. Unisex-Toiletten sind nur erlaubt, wenn die Zahl der Beschäftigten unter neun Mitarbeitern liegt. Zukünftig müsste bei mehr als neun Mitarbeitern unter Umständen ein dritter Toilettenraum eingerichtet werden.

Nachweis kann gerichtlich gefordert werden

Manche Überlegungen gehen sogar soweit, dass wenn (m/w/d) in Stellenanzeigen auftaucht, diese Vielfalt sich auch in Unternehmen widerspiegeln müsste. So wie seit einigen Jahren eine Frauenquote gefordert wird, könnte eine Quote für Intersexuelle und Transsexuelle gefordert werden.
Dass Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen, nicht diskriminiert werden dürfen beziehungsweise ihre Rechte stärker gefördert werden sollen, ist nachvollziehbar. Unklar hingegen ist, wie das überprüft werden soll.
Denn das AGG eröffnet dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu klagen, falls er sich aufgrund seines Geschlechts diskriminiert fühlt. Dies könnte bei einer Ablehnung auf Stellenangebote, die nur (m/w) tragen, der Fall sein.
Vermutet eine intersexuelle Person Diskriminierung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum dritten Geschlecht und geht sie arbeitsgerichtlich dagegen vor, wird sie ihr Geschlecht gemäß §§ 373 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) und §§ 445 ff. ZPO beweisen müssen.
Quelle: https://karrierebibel.de